Die Ursache und der zeitliche Ablauf der Hochwasserkatastrophe kann wie folgt rekonstruiert werden (in Anlehnung an M. Frenzel.)

8. Juli 1927, im Tagesverlauf:

Zunächst Sonnenschein. Kühle Atlantikluft schiebt sich im Bereich des Osterzgebirges unter feucht-warme Luftmassen aus dem Mittelmeerbereich und zwingt diese zum Aufsteigen. Gegen 16:00 Uhr entstehen schwere Schauer und Gewitter, die Stunden andauern.

8. Juli 1927, 16:00 -19:00 Uhr

Auf Grund der Abholzung der Wälder in der Vergangenheit und stark verminderter Aufnahme- und Speicherfähigkeit des Bodens kommt es zu schneller Abflussbildung im oberen Oelsengrund. Im Bereich des Flusslaufes und dem flächenmäßig grossen Anteil von Nebengewässern kommt es zu Überflutungen. Die zunächst entstehende Hochwasserwelle überflutet weite Uferbereiche, richtet aber zunächst in den Ortschaften kaum Gebäudeschäden an.

8. Juli 1927, 19:00 - 21:00 Uhr

Die Niederschläge lassen geringfügig nach. Die erste Hochwasserwelle geht bereits zurück.

8. Juli 1927, 21:00 - 22:00 Uhr

Die vorübergehend nachlassenden Niederschläge und das rückläufige Durchflussvolumen der Gottleuba nehmen nach Wiedereinsetzen weiterer Gewitterschauer erneut zu. Eine neue Hochwasserwelle entsteht. Die Wassermassen entwurzeln auf ihrem Weg zur Elbe Bäume, führen große Mengen Sedimentfracht und weggespülte Gebäudeteile aus dem oberen Flusslauf mit sich. Vor Berggießhübel verursachen zahllose im Strom der Gottleuba treibende Baumstämme, Bretter, Gebäudeteile und Unrat an der Eisenbahnbrücke ein sog. Pseudo-Staubauwerk, das einen gleichmäßigen Abfluß der Wassermassen verhindert. So entsteht ein künstlicher Stausee, der sich vor der Brücke an dem angeschwemmten Treibgut mehrere Meter hoch anstaut. Die Gewitterschauer dauern währenddessen unvermindert an.

8. Juli 1927, gegen 22:30 Uhr

Überlagerungen mehrerer Hochwasser aus Nebenflüssen des oberen Quellgebiets sind zusammengetroffen. Das angeschwemmte Holz an der Berggießhübler Brücke bricht schliesslich unter dem Druck des stetig höhersteigenden Wassers. Der ca. 4 Meter hohe Flutwellenkamm trifft in der Ortschaft auf die direkt am Flusslauf errichteten Wohnhäuser und überflutet den gesamten Ortskern.Die Hochwasserwelle gipfelt in einem Volumenstrom von ca. 500 m³ pro Sekunde und erreicht mit ihrer unerwartet starken und plötzlichen Wirkung äußerst schnell den Status einer Katastrophe. Die Wassermassen und richten in der Ortslage schwerste Verwüstungen an, tragen ganze Häuser fort und reissen Häuserwände, Giebel und Dächer in die Fluten. Allein in Berggießhübel werden 88 Erwachsene und Kinder tödlich verletzt, bzw. sterben durch Ertrinken in den reissenden Fluten. Ganze Familien werden in einer Nacht ausgelöscht.

9. Juli 1927

Während der Nacht zum 9. Juli lassen die Schauer nur zögernd nach und dauern bis zum Morgen an. Zu diesem Zeitpunkt wird das Ausmaß der Zerstörungen sichtbar. Hilfstruppen des Roten Kreuzes und verschiedene andere Truppenverbände treffen ein und beginnen mit den ersten Sicherungen und Bergungen. Viele freiwillige Helfer stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung für die vielen unglücklichen Opfer, die Haus, Habe oder Angehörige verloren haben.Siehe auch: Pirnaer Anzeiger

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Der ehemalige Orskern Berggießhübels,
im Vordergrund das Hotel "Zum Goldenen Stern"

Postkarte, Sammlung U. Fischer



Im Bereich desMarktplatz
, vor 1927
Postkarte, Sammlung U. Fischer


Kirchberg vor 1927
Postkarte, Sammlung U. Fischer



Gaststätte "Sächsisches Haus" vor 1927
Sammlung D. Fischer