Neubeginn und Wiederaufbau

Einige Tage später wurden in Berggießhübel und anderen Orten insgesamt vier Notbauämter eingerichtet. Ein wichtiges Problem war neben der enormen Sachbeschädigung die Versorgung der obdach- und vielfach mittellos gewordenen Bevölkerung. Ein großer Teil des Ortskerns war in den Fluten versunken, oder so stark beschädigt worden, dass nur ein Abriss folgen konnte.Insgesamt wurden 70 Wohnungen in Berggießhübel zerstört, deren Trümmer beseitigt, bzw. nach Überlebenden oder Opfern durchsucht werden mussten. Nachdem Plünderungen der verwaisten Häuser und Wohnungen zunahmen, wurde eine Abteilung der Kriminalpolizei in Berggießhübel stationiert.

Zeitungsartikel: Sammlung T. Wittig

Reparaturen und Wiederherstellungen von vielen Kilometern zerstörter Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken, Gas-, Wasser- und Stromleitungen mussten in den folgenden Wochen und Monaten schnellstmöglich durchgeführt werden. Die Gewalt der Flutwelle hatte Gleisanlagen von den Bahndämmen gerissen und wie Spielzeug spiralförmig verbogen. Straßen waren weggespült, und ein großer Teil der Brücken über die Gottleuba waren eingestürzt, bzw. vom Wasser fortgetragen worden. Unterhalb Berggießhübels waren der Eisenbahnviadukt vor Langenhennersdorf beschädigt; ein zweiter hinter dem Ort in Richtung Pirna befindlicher Viadukt total zerstört worden. Das enge, V-förmige Gottleubatal ab Berggießhübel, sonst mit üppiger Vegetation zwischen wuchtigen Sandsteinfelsen im Flußbett eine idyllische, urwüchsige Landschaft, war von den Wassermassen wie leergefegt. Von Hindenburg, Reichpräsident, und andere Politiker sprachen im Pirnaer Anzeiger der schwer geprüften Bevölkerung ihr Beileid aus. Aus den Hilfsaufrufen, Annoncen und Berichten des Pirnaer Anzeigers lässt sich die katastrophale Schwere des Ereignisses für die Bevölkerung ablesen. Bis zu zweitausend freiwillige bzw. ehrenamtliche Helfer sollen Zeitungsberichten zufolge in Berggießhübel im Juli 1927 mit der Trümmerberäumung beschäftigt gewesen sein.

Hochwasserdenkmal zwischen Sebastian-Kneipp-Str. und Gottleuba,
Foto B. Fischer

Nachdem die Lage sich soweit normalisiert hatte, daß an Wiederaufbau gedacht werden konnte, musste für die 70 zerstörten Wohnungen Ersatz geschaffen werden. Die Wohnungsnot wurde zu dem primär zu lösendem Problem. Da die Gefahr eines zukünftigen Hochwassers nach wie vor vorhanden war, mussten neue Siedlungen in jedem Fall an hochwassersicherer Stelle erbaut werden. Zwischen 1928 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 wurden zahlreiche Siedlungsneubauten errichtet. Auch das im Jahr 1926 gerade erst fertiggestellte Stadtbad hatte schwere Beschädigungen erlitten und wurde 1928 neu aufgebaut. Weiterhin begann im gleichen Jahr der Neubau eines Klärwerks. Wichtiger Aspekt der Neugestaltung war die Herstellung eines neuen, befestigten Flußbettes der Gottleuba. War der Fluss bislang weitgehend kurvenreich und z.T. unbefestigt durch den Ort geflossen, wurde das Bett der Gottleuba nun tiefer ausgeschachtet, verbreitert und betoniert. Es wurde im Ortskern um einige Meter in östliche Richtung versetzt und erhielt eine fast gradlinig durch den Ort verlaufende Linienführung. Dort, wo der Fluss die grössten Schäden angerichtet hatte, entstanden nach dem Abriss der übrig gebliebenen Gebäudereste zunächst Freiflächen, die besonders in der letzten Vergangenheit in attraktive Grünflächen und gepflegte Blumenbeete umgewandelt wurden und heute Bewohner wie Kurgäste zum Verweilen und Erholen einladen. Hier, im Bereich der engen Bebauung vor 1927, findet man auch das Denkmal, das zur Erinnerung an die furchtbarste Nacht Berggießhübels errichtet wurde.

 


 



Zeitungsartikel: Sammlung T. Wittig